Sind wir noch brauchbar?

Immer deutlicher wird der Totalitätsanspruch der russischen Regierung auf Gehorsam in allen Lebensbereichen – die Freiheit ist massiv eingeschränkt, unter Androhung von Gewalt und Haft. Währenddessen sprechen russisches Staatsmedien offen von einer Entukrainifizierung – die Massen müssten umerzogen, die Staatsführung eliminiert werden.
Der historische Kampf gegen das Naziregime dient hier als zynische Markierungspraxis und Begründung für maßlose Gewalt: Alle Ukrainer:innen werden als Nazis bezeichnet.

Der evangelischer Pfarrer und Theologe Dietrich Bonhoeffer hat im Widerstand gegen das Naziregime sein Leben verloren. Im Widerstand gegen ein Regime, dem das Russland von Putin, Medvedew, Kadirov und Konsorten, trotz oder gerade wegen aller Propaganda, mit der angebliche Feinde markiert und verfolgt werden, in seinen Handlungen und in seinem Angriffs- und Vernichtungskrieg jeden Tag ähnlicher wird. Sein Opfer wird ebenso wie der Tod der Millionen Opfern des Naziregimes durch die russische Regierung mißbraucht und verächtlich gemacht.

Wie aber können wir uns verhalten, welche Position wollen wir beziehen? Auch wenn wir nicht im Land der Unterdrücker leben – wieweit gehen Freiheit und Verantwortung, wenn wir uns an Jesus Christus halten? Unter der Frage: Sind wir noch brauchbar? schreibt Bonhoeffer:

Wir sind stumme Zeugen böser Taten gewesen, wir sind
mit vielen Wassern gewaschen, wir haben die Künste
der Verstellung und der mehrdeutigen Rede gelernt, wir sind
durch Erfahrung mißtrauisch gegen die Menschen geworden
und mußten ihnen die Wahrheit und das freie Wort oft schuldig
bleiben, wir sind durch unerträgliche Konflikte mürbe oder
vielleicht sogar zynisch geworden – sind wir noch brauchbar?
Nicht Genies, nicht Zyniker, nicht Menschenverächter, nicht
raffinierte Taktiker, sondern schlichte, einfache, gerade Menschen
werden wir brauchen. Wird unsere innere Widerstandskraft
gegen das uns Aufgezwungene stark genug und unsere
Aufrichtigkeit gegen uns selbst schonungslos genug geblieben
sein, dass wir den Weg zur Schlichtheit und Geradheit wiederfinden?
In: Widerstand und Ergebung, DBW Band 8, Seite 38

Am Gründonnerstag zeigen wir um 18 Uhr in der Auferstehungskirche
den Film „Die letzte Stufe“  (USA, CAN, D 2000) über Dietrich Bonhoeffer.

Einzugsermächtigung

Was nimmt er sich heraus,
hier aufzumarschieren,
der Eselreiter
samt seiner Wegbereiter
mit Palmgewedel und Psalmgesang.

Als wollten sie
mit einem Karnevalsumzug
die Stadt erobern – narrenfrei und eingebildet:
Sieh, dein König kommt zur dir!

Da kommt’s mir hoch,
da könnte ja jeder kommen,
wo kommen wir denn
da hin?

Ach komm, der hat ja gar keine
Einzugsermächtigung –
von uns jedenfalls nicht. 

Haltestelle bei Wind und Wetter

Auch bei schlechtem Wetter findet die Haltestelle für den Frieden statt – so auch am 4. April mit knapp 30 Teilnehmer:innen, die einen bewegenden Bericht der Malteser über eine Evakuierungsaktion in die Ukraine gehört haben. 3001 Kilometer, um 7 schwertbehinderte Kinder aus der Ukraine nach Deutschland zu holen. Schließlich wurden es jedoch 98 Kinder, die trotz wenig Schlaf, Schwierigkeiten an der Grenze und schwierigster Betreuung für die schwerkranken Kinder nach Deutschland geholt werden konnten. Mit unerwarteter Unterstützung, denn zum Teil haben polnische LKW-Fahrer Tankrechnungen für den Konvoi beglichen. Ein Beispiel dafür, dass es auch Hoffnungszeichen und tatkräftige Hilfe gibt. Doch ist auch dies eine Mahnung gegen den durch Russland vorangetriebenen Krieg, vor dem Kinder geschützt und in Sicherheit gebracht werden müssen und eine Anklage gegen das Kalkül der Gewalttäter.

Die Haltestelle geht weiter! Nach einer Pause am Ostermontag werden wir auch am 25. April wieder da sein – und vielleicht gibt es dann noch einmal eine Gelegenheit, dem Bericht der Malteser zuzuhören.

Evangelische Kirchen in Russland zum Krieg in der Ukraine

Vitaly Vlasenko, Pastor einer Baptistengemeinde in Russland und Vorsitzender der Evangelischen Allianz Russland hat in einem offenen Brief seine Ablehnung des Krieges zum Ausdruck gebracht. Noch am Tag vor der Invasion hatte er in einem Brief an Putin um eine friedliche Lösung gebeten. In seiner Eigenschaft als Generalsekretär der Evangelischen Allianz in Russland bedauert er nicht nur das Leid, dass dieser Krieg über beide Länder bringt, sondern bittet auch alle um Vergebung, die diese Leid ganz konkret erfahren:

An meine lieben Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt:

Als Generalsekretär der Russischen Evangelischen Allianz trauere ich über all das, was mein Land durch seine jüngste militärische Invasion eines anderen souveränen Landes, nämlich der Ukraine, getan hat.

Für mich und für viele andere Christen war die Militärinvasion ein großer Schock. Selbst unter den schlimmsten Annahmen hatte ich mir nicht vorstellen können, was wir jetzt in der Ucraine beobachten. Zwei Völker, die miteinander eng verwandt sind und zudem zu großen Teilen dem christlichen Glauben (hauptsächlich dem Orthodoxen) verbunden sind, kämpfen nun einen verbitterten Kampf. Eine Seite mit dem Ziel die Ukraine zu entmilitarisieren. Die andere möchte das Land vor einer Besetzung bewahren.

Viele Russen und Ukrainer haben enge Familienbindungen im jeweils anderen Land. Ein Russe hat vielleicht Töchter und Enkel in Kiew; während ein Ukrainer Kinder haben mag, die in Moskau leben und arbeiten. Heute werden unsere Herzen von Schmerz, Furcht und Trauer durchbohrt. Wir sorgen uns um unsere Lieben und um unsere eigene Zukunft, denn (zum ersten Mal) seit dem 2. Weltkrieg sind wir nun in der Situation, dass niemand die Entwicklung und Konsequenzen des gegenwärtigen Krieges vorhersagen könnte.

Heute sterben Soldaten auf beiden Seiten. Der Frieden wird durch die Bomben und Granaten zerstört. Und ein anwachsender Strom von Flüchtlingen ergießt sich über Europa: Frauen, alte Leute und Kinder.

All diese Ereignisse verursachen bei mir Sorgen, Bitterkeit und das größte Bedauern über die Entscheidungen, die die Leitung meines Landes getroffen hat. Und ich fühle das tiefste Mitleid wegen dem Leid, das diese Entscheidungen hervorgerufen hat.

Ich habe alles getan, was ich tun konnte, um diesen Krieg zu verhindern und diese Militärinvasion zu stoppen: In meiner Eigenschaft als Generalsekretär der Russischen Evangelischen Allianz habe ich am Tag vor der Invasion einen offenen Brief an Präsident Vladimir Putin geschrieben. In diesem Schreiben unterstützte ich das Ersuchen einiger religiöser Führer aus der Ukraine eine friedliche Lösung des Konfliktes zu erreichen.

Wir haben gefastet und gebetet um Frieden und Harmonie zwischen Russland und der Ukraine. Unsere Allianz hat sich an öffentlichen Gebeten mit Russen, Ukrainern und anderen Europäischen Führungspersönlichkeiten beteiligt im Betreben eine Versöhnung herbeizuführen. Als Russische Evangelische Allianz haben wir über 500 Flüchtlinge aus der Ukraine in Südrussland unterstützt. Und wir haben am “Runden Tisch” und bei einer nachfolgenden internationalen Konferenz über die politischen und militärischen Aspekte des Konfliktes gesprochen.

Heute bitte ich all um Entschuldigung (Vergebung), die liebe Anverwandte oder ihr Zuhause wegen dem Konflikt verloren haben. Das sage ich als Bürger meines Landes und als Generalsekretär der Russischen Allianz.

Es ist mein Gebet, dass Sie von Gott die notwendige Stärke erhalten und das wir uns die Hand der Solidarität und Vergebung reichen. Wir wollen uns als das Volk Gottes in dieser Welt verstehen und entsprechend leben.

Möge unser himmlischer Vater uns helfen. Mit dem größten Respekt,
Ihr Bruder im Herrn Vitaly Vlasenko

Auf der Jagd nach dem Frieden…

„Die Erde ist des Herrn,
geliehen ist der Stern
auf dem wir leben.“
so heißt es in einem Lied

Die Erde ist des Herrn?
Die Erde ist der Herren… oder etwa nicht?

Herren, die ihre eigenen Herren sein wollen,
Herren, die sich für ’ne Herrenmarke halten,
Herren in grauen Pullovern,
Graue Herren, Herren in weißen Häusern,
Herren in Megapalästen oder mit Golfplätzen,
Herren mit megaviel Kohle – oder Asche, das passt besser,
Herren mit Mauern im und vorm Kopf,
Herren, die sagen wo’s langgeht,
Herren, bei denen läuft`s wie geschmiert,
Herren, die zuschlagen – oder bezahlte Schläger haben,
Herren, die Menschen jagen und
Herren mit nacktem Oberkörper, auf Elchjagd

HALALI

und ist es Wahnsinn, so hat es doch Methode… Den Frieden jagen, ich bitte Euch.
Das tun doch eh schon alle:
Ihn jagen, um ihn zu erle(di)gen.

Die Meute hetzt durch die Welt, bellend und geifernd,
die Schützen warten
entweder auf dem Hochstand oder im Unterholz

auf den Blattschuss,
bis das Halali das Ende der Jagd anzeigt:
„Die Jagd ist für diesen Moment vorüber, die Waffen ruhen jetzt“
ist erle(di)gt, der Friede.

Das Friedensfell liegt dann vor dem Kamin,
Das Haupt – hat der Frieden eigentlich Hörner? – hängt traurig überm Kaminsims.
Aus dem Rest machen wir Gulasch, mit Rotkohl und Klößen,
und wenn noch was übrig bleibt
frieren wir’s ein
für den nächsten Winter.

Kriegsknecht

Dem Krieg dienen – der Zerstörung von Menschenleben und Lebensraum,
der Ermordung von Alten und von Kindern, Söhnen und Töchtern,
der Angst, dem Schmerz, dem Tod zuarbeiten,
überfallen, in Besitz nehmen, zerstören…

So ist auch der Kriegsherr in Wahrheit ein Diener des Todes,
auch wenn er wie Putin,
voller Angst um sein eigenes Leben am anderen Ende meterlanger Tische sitzt,
um zu befehlen zu töten und getötet zu werden.

Eifrig nickend beeilen sich andere, dafür zu sorgen,
dass das geforderte Blut auch reichlich fließe.
Noch zu Zeiten atomarer Drohgebärden sang Sting, er hoffe,
die Russen würden ihre Kinder ebenfalls lieben –

doch der Krieg liebt nichts als sich selbst,
und selbst die, die ihm dienen,
weil auch sie keine Liebe kennen,
werden das erfahren.

und so geschah es

Noch immer zieht der Durcheinanderbringer durch die Welt,
um diejenigen auf die Probe zu stellen,
die wie Putin, Assad, Lukaschenko, Kim, Afewerki Geltung beanspruchen,
und flüstert ihnen zu:

Wenn Du ein wahrer Herrscher bist, so befiehl doch,
dass aus diesen Steinen Erz und aus dem Erz Waffen werden,
damit das Brot zu Geld werde
– und so geschah es.

Dann führte der Teufel sie an die Spitze ihrer Staaten und sagte zu ihnen:
Wenn Du ein wahrer Herrscher bist, so sorge dafür, dass niemand dich je stürzen wird.
Hast Du nicht Waffen, Soldaten und Geldgeber, die dich vor allem schützen,
was unbequem sein mag?
– und so geschah es.

Schließlich führte der Teufel sie vor eine Weltkarte,
zeigte ihnen Satellitenbilder und Menschenleben und sagte:
Such Dir nur aus, was alles dir gehören soll und worüber du herrschen willst,
du wirst es bekommen,
wenn du mich anbetest und dich Gott und Menschen nicht weiter interessieren.

– und so geschah es.

zu Mt 4,1-11

Gute Gesellschaft

Russland, unterstützt von

Belarus, dessen Diktator die Freiheitsbewegung niederknüppeln ließ
und sein Land für die Invasion der Ukraine zur Verfügung stellt.
Syrien, dessen Diktator mit Giftgas die eigene Bevölkerung tötete
und für eine der größten Flüchtlingsbewegungen unserer Zeit verantwortlich ist.
Nordkorea, dessen Diktator sein Volk für die Macht der Bombe hungern lässt
eines der abgeschottetsten Länder der Erde.
Eritrea, dessen Diktator für schwerste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist,
inklusive einer der schlimmsten Christenverfolgungen weltweit.

Beschluss der UN-Vollversammlung vom 2. März 2022
zur Verurteilung Russlands für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
141 Staaten stimmten für die Resolution zur Verurteilung Russlands,
35 Länder enthielten sich der Stimme.