Vitaly Vlasenko, Pastor einer Baptistengemeinde in Russland und Vorsitzender der Evangelischen Allianz Russland hat in einem offenen Brief seine Ablehnung des Krieges zum Ausdruck gebracht. Noch am Tag vor der Invasion hatte er in einem Brief an Putin um eine friedliche Lösung gebeten. In seiner Eigenschaft als Generalsekretär der Evangelischen Allianz in Russland bedauert er nicht nur das Leid, dass dieser Krieg über beide Länder bringt, sondern bittet auch alle um Vergebung, die diese Leid ganz konkret erfahren:
An meine lieben Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt:
Als Generalsekretär der Russischen Evangelischen Allianz trauere ich über all das, was mein Land durch seine jüngste militärische Invasion eines anderen souveränen Landes, nämlich der Ukraine, getan hat.
Für mich und für viele andere Christen war die Militärinvasion ein großer Schock. Selbst unter den schlimmsten Annahmen hatte ich mir nicht vorstellen können, was wir jetzt in der Ucraine beobachten. Zwei Völker, die miteinander eng verwandt sind und zudem zu großen Teilen dem christlichen Glauben (hauptsächlich dem Orthodoxen) verbunden sind, kämpfen nun einen verbitterten Kampf. Eine Seite mit dem Ziel die Ukraine zu entmilitarisieren. Die andere möchte das Land vor einer Besetzung bewahren.
Viele Russen und Ukrainer haben enge Familienbindungen im jeweils anderen Land. Ein Russe hat vielleicht Töchter und Enkel in Kiew; während ein Ukrainer Kinder haben mag, die in Moskau leben und arbeiten. Heute werden unsere Herzen von Schmerz, Furcht und Trauer durchbohrt. Wir sorgen uns um unsere Lieben und um unsere eigene Zukunft, denn (zum ersten Mal) seit dem 2. Weltkrieg sind wir nun in der Situation, dass niemand die Entwicklung und Konsequenzen des gegenwärtigen Krieges vorhersagen könnte.
Heute sterben Soldaten auf beiden Seiten. Der Frieden wird durch die Bomben und Granaten zerstört. Und ein anwachsender Strom von Flüchtlingen ergießt sich über Europa: Frauen, alte Leute und Kinder.
All diese Ereignisse verursachen bei mir Sorgen, Bitterkeit und das größte Bedauern über die Entscheidungen, die die Leitung meines Landes getroffen hat. Und ich fühle das tiefste Mitleid wegen dem Leid, das diese Entscheidungen hervorgerufen hat.
Ich habe alles getan, was ich tun konnte, um diesen Krieg zu verhindern und diese Militärinvasion zu stoppen: In meiner Eigenschaft als Generalsekretär der Russischen Evangelischen Allianz habe ich am Tag vor der Invasion einen offenen Brief an Präsident Vladimir Putin geschrieben. In diesem Schreiben unterstützte ich das Ersuchen einiger religiöser Führer aus der Ukraine eine friedliche Lösung des Konfliktes zu erreichen.
Wir haben gefastet und gebetet um Frieden und Harmonie zwischen Russland und der Ukraine. Unsere Allianz hat sich an öffentlichen Gebeten mit Russen, Ukrainern und anderen Europäischen Führungspersönlichkeiten beteiligt im Betreben eine Versöhnung herbeizuführen. Als Russische Evangelische Allianz haben wir über 500 Flüchtlinge aus der Ukraine in Südrussland unterstützt. Und wir haben am “Runden Tisch” und bei einer nachfolgenden internationalen Konferenz über die politischen und militärischen Aspekte des Konfliktes gesprochen.
Heute bitte ich all um Entschuldigung (Vergebung), die liebe Anverwandte oder ihr Zuhause wegen dem Konflikt verloren haben. Das sage ich als Bürger meines Landes und als Generalsekretär der Russischen Allianz.
Es ist mein Gebet, dass Sie von Gott die notwendige Stärke erhalten und das wir uns die Hand der Solidarität und Vergebung reichen. Wir wollen uns als das Volk Gottes in dieser Welt verstehen und entsprechend leben.
Möge unser himmlischer Vater uns helfen. Mit dem größten Respekt,
Ihr Bruder im Herrn Vitaly Vlasenko