…geschöpft

Lieber Vater

Du bist mit uns ans Meer gefahren, in einem alten Käfer. Wir mussten unterwegs anhalten, rausfahren und das Wasser aus dem Fußraum schöpfen, wie bei einem sinkenden Boot.
Das war natürlich ein Abenteuer. Das war Schöpfung: Der Regen ebenso wie das Schöpfen. Das Boot ist nicht gesunken, es war ja ein Käfer.
So weit ich mich erinnere, hatte er keinen Namen, jedenfalls hieß er nicht Karl und er wurde auch nicht fort-gejagt. Obwohl, ich weiß nicht: Auf der Autobahn war er ja nicht der Schnellste.
Aber wir konnten von hier nach da fahren, um Urlaub zu machen.

Damals hatte es selbst die Öl-Krise noch nicht gegeben, die Schöpfung war kein Thema
– die Bombe, die schon, und das Wett-rennen der Mächte um ihre Mächtigkeit.
Zerstören, was Menschen gemacht haben, und zeigen: was wir alles machen können:
Auf dem Mond gelandet sind wir damals. Die Erde untertan zu machen, war längst nicht genug.

Das etwas zerstört werden könnte, was nicht die Menschen gemacht haben, sondern Gott uns anvertraut hat: Es hat gedauert, bis wir das begriffen haben. Erschreckt hat uns, dass unser Wohlstand ein Ende haben könnte: dass das ÖL knapp wird. Erschreckt hat uns, dass Technologien entwickelt werden, deren giftiger Abfall dermaßen lange giftiger Abfall bleibt, dass die biblischen Jahrtausende seit Noah ein Pups sind dagegen. Saurer Regen, hieß es dann, und es war weder etwas zu sehen noch zu schmecken. Erst langsam ist es durchgesickert, in unser Bewusstsein, in unser Verstehen: haben wir kalte Füße bekommen, ist das Wasser gestiegen, brennt das Feuer unter unserem Hintern.
Aber ob wir noch anhalten können, um neu zu schöpfen? Oder versuchen wir, aus dem fahrenden Wagen heraus das Problem zu lösen?

Der Käfer ist nicht gesunken, diese seltsame Arche mit Kuscheltieren und Wasser drinnen,
in dem wir ohne Airbag und Gurt und Kindersitz unterwegs waren als könnte uns nichts passieren, als wäre die Welt wie behütet. Und heute erst, wo wir mit unseren Kindern ans Meer fahren, dreimal so weit entfernt, doppelt so schnell, mit Klimaautomatik und Partikelfilter,
schöpfen wir kein Wasser sondern hören Ritter Rost und das Navigationsgerät erklärt uns den Weg.

Lieber Ur-Vater Noah,

Du bist mit uns über eine überflutete Erde gefahren und hast Ausschau gehalten nach trockenem, fruchtbarem Boden. Was hast Du Deine Kinder und Enkel gelehrt vom Widersinn menschlichen Strebens?

Lieber Vater im Himmel,

Ein Schrecken für Pflanzen und Tiere soll der Mensch werden, hast Du in Deinem Bund mit Noah gesagt. Ich hoffe, dass war nicht Dein letztes Wort, auch wenn es wahr geworden ist. Versöhnung, so hast Du uns gelehrt, bedeutet neu anfangen zu können.
Stelle Deinen Bogen über uns als Zeichen des Friedens und der Mahnung, als Zuspruch und Anspruch. Und nicht nur an den Himmel, sondern verbinde mit ihm Herzen, Mund und Hände,
damit wir nicht vergessen, dass, selbst wenn die Sintflut hinter uns liegt,
wir Menschen Katastrophen schaffen, die jedem Teil dieser Erde Schaden zufügen.

Wir sind mitten dazwischen:
Kannst Du uns nicht die Weisheit schenken, das erkennen zu können?