Es war einmal…

… ein Sommermärchen. 

2006 soll das gewesen sein. „Die Welt zu Gast bei Freunden“ lautete damals das Motto, „Zeit, dass sich was dreht“, wurde uns dafür als Hymne ins Ohr gesungen.

Die Leichtigkeit, mit der damals das Fahnenschwenken neu geübt wurde, um Begeisterung an Stelle von Nationalismus setzen, ist verflogen: Die Welt soll uns gestohlen bleiben, schreien die begeisterten Nationalisten und schwenken Fahnen wie Waffen. Die Zeit, zurückgedreht auf Nationalismen und Möchtegern-Führerfiguren. Dabei haben die nicht nur im Märchen und nicht nur einmal die Welt ins Unglück gestürzt.

Zeit, dass sich was dreht: Was hat sich seit 2006 nicht alles gedreht…
und dreht sich immer noch und immer schneller, so dass uns schwindlig werden kann:
Wenn schon nicht vom Spiel der „Mannschaft“, so von den aktuellen Entwicklungen in Deutschland und in der Welt – und bei der CSU. Ein Sommermärchen als Trauerspiel: Es war einmal… Eine böse Hexe, ein tapferer Ritter … und wenn er nicht zurückgetreten ist, regieren sie noch heute.

„Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“, so Seehofer, der in Worten und Taten mehr als deutlich gemacht hat, dass die Demokratie, mit deren Schutz er als Innenminister beauftragt ist, nicht in erster Linie durch Geflüchtete sondern vor allem durch ihn selbst gefährdet ist. Der Putsch des Innenministers und seiner Kumpane zeigt, wie sehr alle rechtsnationalen Parteien und Strömungen in Europa eigentlich nur noch dankbar sind, dass es kein anderes und kein wichtigeres Thema mehr zu geben scheint als Migration und der Umgang mit Menschen auf der Flucht.

Und so schreien die, die gerade noch den Fall der Mauer und des eisernen Vorhangs gefeiert haben, nach Grenzzäunen, Lagern, Mauern. Die, die gerade noch die Freiheit bejubelt haben, verachten die Demokratie und ihre Prinzipien und hängen stattdessen Kreuze in ihre Amtsstuben.
Wo die herumhängen, kann und soll sich nichts mehr drehen – außer zurück. Und wo sich nichts mehr entwickeln will, füttern Eitelkeit, Rechthaberei und Selbstgefälligkeit den Populismus und sorgen dafür, dass sich das Land nicht nur bei der WM wegen Pomadigkeit, Behäbigkeit, Langeweile, Rechthaberei, mangelndem Willen und mangelndem Teamgeist verabschiedet.

Entgrenzung und Globalisierung haben unter den Vorzeichen des Neoliberalismus und alleiniger wirtschaftlicher Profite viele Menschen rat- und hilflos zurückgelassen. Zugleich, und obwohl unser Wohlergehen so groß ist und die Zeit des Friedens für uns so lang war, regen uns europäische Regelungen des Verbraucherschutzes mehr auf als Krieg, Hunger, Not oder der Zugang zu sauberem Wasser, stellen wir Nachhaltigkeit als Unterdrückung dar und verleugnen so die Folgen unseres Wohlstands auf Kosten anderer Menschen und folgender Generationen.

Die Zeit, dass sich was dreht, ist drängend geworden. Aber ich habe keine Lust, diese Parole den Nationalisten und Egoisten, den Eitlen und den Rassisten, den Islamisten und Populisten zu überlassen. Gerade weil Zeit ist, dass sich etwas verändert, gerade weil eine Zeit der Umkehr erforderlich ist, halte ich mich lieber an den Experten für Wendepunkte, für den Umgang mit Selbstgerechten und Ungerechtigkeit, mit Realisten und Träumenden, mit Mächtigen und Ohnmächtigen und auch mit Kreuzen: Jesus Christus!

In Jesus Christus erkennen, verstehen, lernen, begreifen wir, dass Gerechtigkeit darin besteht, miteinander füreinander Lebensgrundlagen zu schaffen  – und daher nicht in Recht und Ordnung aufgeht. Weil, wie Asal Dardan es in der ZEIT ausdrückt, nicht der Kampf gegen Vielfalt, „sondern eine solidarische Haltung auch mit Menschen, die man als anders wahrnimmt“, eine Gesellschaft stärkt.“ (https://www.zeit.de/kultur/2018-06/diskriminierungen-opfer-taeter-politisierung-opferkultur-gewalt). Jede national eingefärbte und gerne gepflegte Opferkultur können wir – gerade als Christen – getrost verabschieden, auch, weil wir unsere Schuld nicht verleugnen müssen, um zu uns selbst zu finden.

In Jesus Christus sind wir gefordert, Freiheit und Verantwortung zusammen zu denken, zu leben und dadurch diese Welt zu verändern:
Menschen die Anerkennung ihres Menschseins nicht zu verweigern und sich zugleich nicht zu besseren oder einzig wahren Menschen zu erklären – oder uns selbst zu Opfern unserer eigenen Geschichte und Verantwortung zu verklären. Denn Selbstbestimmung verwirklicht sich immer und ausschließlich im Zusammenleben und nicht im Gegeneinander. 

Darum braucht diese Zeit überaus vernünftige Menschen des Neuen Weges, solidarisch untereinander und mit dieser Welt, die sich aber durchaus getragen wissen von einem tiefen Glauben, Hoffen und Lieben, das in der Wirklichkeit Jesu Christi verwurzelt ist – damit sich was dreht und die Welt endlich zu sich kommt.