Willkommen, Kultur

Woran erkennt man einen Flüchtling, der schon ein paar Monate in Deutschland ist?
Es ist ganz einfach: Er oder sie weiß, was Modalverben sind.

Sollte irgendjemand, der nicht gerade Deutsch unterrichtet, wissen, was Modalverben sind, nun, dann kann die nächste Frage eigentlich nur sein: Woher aus Syrien kommst Du?

Das liegt sicher daran, dass wir Deutsche uns als derart von der Vorsehung ausersehen ansehen, die deutsche Grammatik quasi als ausgezeichnete Begabung verinnerlicht zu haben, dass wir diese fremdländischen Begriffe für nicht weiter beachtens- oder lernenswert halten – es sei denn für Geflüchtete, natürlich. Denn sind nicht dürfen, können, mögen, müssen, sollen und wollen Schlüsselbegriffe deutscher Inkulturation, da sie Möglichkeiten und Notwendigkeiten aufs Feinste auseinanderhalten, so dass hierzulande bei allem, was irgendjemand können wollen möge, auf jeden Fall zuvor zu fragen ist, ob man angesichts dessen, was man sollen muss, es auch dürfen darf?

Die komplexen Verhältnisse von müssen, sollen und dürfen zu wollen, können und mögen sind ja nicht zuletzt Gegenstand diverser so genannter Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung gewesen – und sind es noch. So komplex und schwierig, dass die FDP die Gespräche entnervt abgebrochen hat, da sie diese Dinge eh lieber irgendwelchen Algorithmen statt ernsthaftem Bedenken überlassen will, während die SPD immer noch nicht weiß, was sie wollen sollen darf oder gar mögen können muss. Oder die Wähler.

So zeigt sich in den Modalverben das ganze komplizierte Geflecht deutscher Kultur, wie man leicht an den wichtigsten Ausstellungsstücken deutscher Identität erkennen kann: dem Auto, dem Weihnachtsbaum und der Verwaltung.
August Ferdinand Bernhardi war es 1801, „der eine Zuordnung der deutschen Modalverben müssen, können, mögen und sollen sowie der Modi Indikativ, Konjunktiv, Optativ und Imperativ zu den Modalitätsmomenten Wirklichkeit, Zufälligkeit, Möglichkeit und Notwendigkeit festlegte“, wie es vielsagend und präzise zusammengefasst in der Wikipedia heißt.
Weshalb, wie gesagt, völlig klar ist, dass nur Geflüchtete sich mit Modalverben auskennen.