Valentins Asche

„Fast… hätte ich es geschafft“,
war das Thema einer Andacht zur Passions- und Fastenzeit in unserer Gemeinde.
Denn Haferkeks und Schokoherz treffen schon mal aufeinander, wenn Aschermittwoch und Valentinstag auf einen Tag fallen. So ist die zunehmend populäre Zeit des Verzichts schon gleich zu Beginn herausgefordert, zumindest wenn ausgerechnet Süßigkeiten zum Gegenstand der Selbstdiziplinierung erwählt wurden. Doch während die Liebe durch den Magen geht, kann man ja auch Autos, Alkohol, Nutella, Fleisch, Plastik, Klima und Medien fasten (was natürlich bedeutet, dass Medienfastende diesen Beitrag gerade nicht lesen).

Wie sehr diese Bewegung in der Gegenwart angekommen ist, zeigt nicht zuletzt das „Fastenticket“ der Karlsruher Verkehrsbetriebe, die damit werben das Auto auch mal stehen zu lassen. Auch Fasten kann man kaufen, sogar im Sonderangebot.

Insoweit schon das Wort Fasten von „Festhalten“ kommt, dem Bewahren und Bewachen der Regeln, geht es heute vor allem um den Beweis, den eigenen Schweinehund an die Kette legen und gerade dadurch mal loslassen zu können. Wurden wir früher von christlicher, staatlicher und gesellschaftlicher Seite im Blick darauf diszipliniert, was erlaubt, was ver- und geboten ist, werden wir heute vor allem darauf diszipliniert uns selbst zu disziplinieren. Es ist natürlich überaus praktisch, wenn wir uns um uns selbst und daher für uns selbst sorgen. Die Kontrolle darüber können wir im Übrigen getrost unseren smarten und mobilen Medien zu überlassen.

Für Menschen, die in einer Gesellschaft allgemeinen Überflusses leben, scheint das zeitlich begrenzte Fasten zu einem der letzten Beweise der Freiheit vom Konsum werden zu können – um diesen eben gerade dadurch zu legitimieren und zu bestätigen. Wir können ja mal verzichten – oder in dieser Fastenzeit den Verzicht wenigstens schon einmal üben. Dass das sinnvoll ist, soll hier nicht bestritten werden.

Doch geht es in der Fastenzeit weder um Disziplinierung oder Selbstdisziplinierung, sondern um einen Lebensstil der Achtsamkeit. Für uns Leute des neuen Weges setzt diese Achtsamkeit die eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Bequemlichkeiten zu denen der Schöpfung und unserer Gesellschaft in ein lebensförderliches Verhältnis, um Verzicht, Entbehrung und Genuss ins Gleichgewicht zu bringen. Wenn wir uns dabei zudem an Jesus Christus orientieren, weil in den protestantischen Kirchen mit dem Aschermittwoch und in diesem Jahr also auch dem Valentinstag die Passionszeit beginnt, dann weil Jesus von Nazareth unseren Weg mitgegangen ist, durch Feiern, Entbehrung und Verzicht hindurch, um gelingendes Leben in der Barmherzigkeit, der Nächstenliebe und in der Liebe Gottes zu verankern.

So wird Verzicht zur Frage von Solidarität, achtsamer Liebe und einem konsequenten Lebensstil — jenseits von (Selbst-)Disziplinierung und Werbeeffekt.