6. Januar: Epiphanias -Tag der Erscheinung des Herrn.
Für die einen war es ein aufregendes Happening, für die anderen Revolution. Die einen wollten die Verräter hängen sehen, die andern ein Zeichen setzen. Alle aber waren vorbereitet und aufgeheizt: „Wir gehen jetzt die Pennsylvania Avenue hinunter zum Capitol“, hatte Trump vorher noch gesagt – und sich dann verdrückt, um das Ereignis vom Fernsehen aus zu verfolgen. Voller Unverständnis darüber, dass die anderen Mitzuschauer nicht ebenso begeistert waren wie er selbst – so heißt es.
Mit MAGA-Mützen, Trump- oder Konföderierten-Flaggen stürmte ein enthusiastischer MOB rebellischer Selbstgewissheit das Herz der us-amerikanischen Demokratie, gerade als es um die Bestätigung der Wahl dem kommenden Präsidenten Joseph R. Biden ging. Der Vizepräsident hatte letztlich doch nicht um Trumps Ego willen seine Rechte überschritten, aber genügend Abgeordnete und Senatoren hatten signalisiert, von dessen Lügen profitieren zu wollen, um sich selbst zu profilieren. 5 Menschen starben, durch Gewalt oder vor Aufregung.
Die gerufenen Geister wollten ebenso wenig zurück in die Flasche wie die Zahnpasta zurück in die Tube, nun, wo sie schon mal da waren. Sie waren „im Namen des Herrn unterwegs“ – und das ist nicht allein Trump, sondern Jesus selbst, dessen Gesandter Trump für sie ist. “Jesus Saves.” „Jesus 2020.“ “Make America Godly Again.” sind die Parolen, es wird gebetet, das Kreuz voran getragen und dann zusammen mit Nazis, Qanon-Fanatikern und Antisemiten mit „Camp Auschwitz“ oder 6MWE-Shirt gestürmt.
Im Zusammenhang mit Trumps ideologischer Marke schrieb der freikirchliche Kirchenhistoriker und Ökumeniker Erich Geldbach 2019 vom „toxischen Christentum“ – weil eben US- Evangelikale, darunter Franklin Graham, der Sohn Billy Grahams und viele andere, für eine Ideologie weißer Überlegenheit und Vorherrschaft stehen. Wer hier letztlich wen instrumentalisiert (hat), ist ohne Belang. Denn „wer Wind sät, wird Sturm ernten“, so sagt es der Prophet Hosea (8,7) – und sei es ein Sturm auf das Kapitol.
Darum ist es nicht belanglos oder von ungefähr, dass wir immer wieder auf diesen ehemaligen Präsidenten der USA geblickt und uns mit ihm auseinander gesetzt haben. Denn er verkörpert die tödliche Gefahr, die in der Egomanie und Selbstgerechtigkeit steckt, mit der sich Machtgierige und Machtlose finden um sich eine Identität zu schaffen, die ganz genau „weiß, was gut und böse ist“: Wir, die „Wahren“, die da, die „Feinde.“
Nun habe ich nicht nur die Botschaft Jesu völlig anders in Erinnerung, der noch in der Nacht, in der er verraten wurde, das Mahl gehalten und dazu aufgefordert hat, das Schwert wegzustecken – es wird auch deutlich, wie prophetisch die Beobachtungen und Anmerkungen in den vergangenen Jahren gewesen sind. Denn Prophetie sagt nicht voraus, sondern deckt auf. Prophetie deckt auf, wie sich Mechanismen des Eigennutzes und der Ungerechtigkeit entwickeln: zum Sturm. Dass Jesus sich diesem Sturm gegenüber als souverän erweist, haben viele Evangelikale vergessen: „Habt ihr noch kein Vertrauen?“ – lautet daher seine Frage an sie.
Der 6. Januar ist Epiphanias, die „Erscheinung des Herrn“, der Tag, an dem die Sternsinger an die Türen klopfen, in vielen Traditionen der Tag der Geburt des Herrn, wo an die Anbetung der Könige (Magi statt MAGA!) gedacht wird. Die Taufe Jesu und das Wunder von Kana sind die Ereignisse, die davon ausgehend den Beginn des Wirkens Jesu in dieser Welt kennzeichnen. Es ist in jeder Hinsicht das Kontrastprogramm zu den Geschehnissen am 6. Januar 2021.
Erich Geldbach: MAGA und toxisches Christentum, oder: Der peinliche Verrat christlichen Glaubens durch US-Evangelikale, in: Zeitschrift für Theologie und Gemeinde 24, 2019, S. 125–156.
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