In Ungarn ist unlängst die Demokratie qualvoll an Covid-19 erstickt. Die Lungenflügel verklebt, keine Luft mehr zum Atmen, von allen lebensrettenden Maßnahmen ausgeschlossen, kam es zu einem multiplen Organversagen. Wie bei anderen Patient_innen auch, hatte die ungarische Demokratie bereits diverse Vorerkrankungen.
Im Zuge der Corona-Krise ist dies ja fast zum beschwichtigend entschuldigenden Standardsatz geworden: Ach so, ja dann… . Nur: alle dieser Vorerkrankungen waren behandelbar. Die lebensbedrohliche Situation der Demokratie in Ungarn war nicht unabwendbar – und ist es auch in anderen Ländern nicht.
Darum ist es gut, wenn wir rechtzeitig beginnen, Debatten zu führen, Bedenken zu äußern, aufmerksam zu sein. Dabei geht es eben nicht nur darum, wann wir wieder in den Biergarten dürfen oder wie die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, sondern ebenso um Fragen nach dem Einfluss von Statistiken und Experten, gleich welcher Profession, auf die Politik, um Tracking-Apps, den Zauber und die Qualen der Digitalisierung, die eben nicht nur ein Infrastrukturproblem sind, die Selbstinszenierung von so genannten Machern und Entscheidern oder die Anhäufung all der Notwendigkeiten, deren Wendigkeit wir kaum noch mitbekommen.
In Ungarn wurde die Demokratie skrupellos geopfert, doch auch bei uns gibt es keinen Grund, die Demokratie auf den Flur zu schieben, nur um irgendwann einmal nachzuschauen, ob sie noch atmet.