Was kann es bedeuten, im 21. Jahrhundert und einer zunehmend digitalisierten Kultur sich zu allererst „um das Himmelreich/Reich Gottes/Königsherrschaft/die Gottesherrschaft und seine Gerechtigkeit zu bemühen und sich daran auszurichten“ (Mt 6,33)?
Die Aufforderung, sich zuerst um das Reich Gottes zu bemühen, richtet sich an die Sorgenden, seien es nun die, die viel oder auch zu viel besitzen oder die, die sich nur um ihre täglichen Bedürfnisse kümmern (Mt 6, 19-32). Gerahmt wird dies von der Kritik Jesu an denen, die einer Bewertungskultur unterliegen, in der beständig über andere geurteilt wird, während man sich selbst den Anschein ideologischer Überlegenheit gibt (Mt 6, 1-18; 7, 1-6). Die Sorge um sich selbst und darum, das eigene Leben zu managen, sind jedoch Grundbedingungen aktueller Wirtschaft und aktueller Politik. Kann dem wirklich die Gottesherrschaft gegenüber gestellt werden, oder geht ein religiöses Selbstmanagement gar darin auf?
Jedoch ist die Rede von der Gottesherrschaft als alternativer Lebensausrichtung, bei aller Aktualität dieser Thematik, durchaus diskreditiert. Sie kann zur Zeit kaum ungefiltert gehört werden, also ohne Gedanken an religiöse Rechtfertigungsstrategien für Gewalttaten aller Art und für größte Grausamkeit oder als mit aller Macht zu verteidigendes Wertesystem. Auch die Rede vom „Reich“ hat keinen besonders guten Klang und der Umgang mit „Königsherrschaften“ beschränkt sich auf Spielewelten, Fantasiegeschichten, Klatschspalten und Repräsentanten alltagsferner Instanzen.
Zugleich sind virtuelle Welten und ihre Strukturen aktueller denn je, so in Netzwerken von „Fans“, „Freunden“, „Followern“ wie auch in einer verteilten und teilenden Ökonomie zwischen Crowdfunding, Repair Cafés, der gemeinsamen Nutzung von Gebrauchsgütern sowie dem Teilen von Nachrichten und Aufrufen.
Andererseits jubeln Menschen denen zu, die sich als Rebellen gegen „das System“ und Ansprüche einer „political correctness“ geben, gegen die althergebrachte Parteiendemokratie und ihre Mechanismen, um dafür als Garanten eines Verbundes von Heim, Frau, Kind, Vaterland und Frömmigkeit aufzutreten und darin Sicherheit, Ordnung und Stärke zu versprechen. Wenn Gerechtigkeit also zunehmend als Ordnungssystem der Sicherung zwischen Angstkultur und Selbstbehauptung verstanden wird, dann müssen wir daran arbeiten, was dieser Begriff für die globalisierten Krisen des 21. Jahrhunderts und eine digitalisierte Kultur von Plattformökonomien und virtuellen Räumen austrägt und wie der Neue Weg einer Kultur der Gerechtigkeit und der Teilhabe aussehen könnte. Dabei geht es ausdrücklich nicht um den Rückgriff auf bereits fertige Konzepte, sondern um deren Entwicklung im Kontext unserer Gemeindearbeit, so zum Beispiel unserem Schwerpunkt „Nachbarschaftskirche“.
Vorschläge, Gedanken, Anregungen sind uns sehr willkommen, schließlich wird uns das Thema in unseren Veranstaltungen und darüber hinaus immer wieder herausfordern.