„Alles ist möglich, dem der glaubt“ sagt Jesus.
Na – Ich glaub’s wohl!
Es ist ja ein wenig vertrackt, dieses „Ich glaub’s wohl!“:
Ich glaub’s – und irgendwie auch nicht.
„Das ist alles nur zu deinem Besten…“ – Ich glaub’s wohl!
„Ich wollte doch nur…“ – Ich glaub’s wohl!
„Das ist von ganz alleine…“ – Ich glaub’s wohl!
„Wir waren gezwungen…“ – Ich glaub’s wohl!
„Das war ich nicht“ – Ich glaub’s wohl!
„Ich glaub’s wohl“ trägt also gleich mehrere Akzente des Unglaubens und des Protestes,
vielleicht auch des zweifelnden Staunens: Tatsächlich?
Es ist aber gar nicht unbedingt ein Zweifel „an den Tatsachen“, im Gegenteil:
Was wahr ist und was gelten soll, mag vielleicht stimmen,
aber irgendetwas stimmt daran nicht.
Vielleicht würde ich es glauben wollen, wenn ich könnte;
oder ich könnte es glauben, wenn ich denn wollte.
Nur: irgendetwas stimmt damit nicht.
„Ich glaub’s wohl“
fasst darum vom gut gemeinten Ratschlag über fundierte Interpretationen bis hin zum Zweifel und weiter zum Empörungsgestus so ziemlich jede Art von Kommentar zusammen, den man als Leserbrief oder als Online-Kommentar zu lesen bekommt.
Ist fast alles irgendwie: „Ich glaub’s wohl“.
Es zeigt die Ambivalenz, die Zwei- oder gar Mehrdeutigkeit dessen,
was wir glauben, meinen, wollen und für wahr und richtig halten.
Und darum scheint mir das vordringliche Problem der so genannten Fake News
nicht einfach nur der Fake, die Verfälschung von Tatsachen und Wahrheit zu sein,
sondern dass wir nicht mehr wissen, was wir glauben sollen, können oder wollen.
In der Reihenfolge.
Alles zielt auf eine große Verunsicherung
eben nicht einfach unseres Wissens,
sondern vor allem unseres Glaubens, unseres Vertrauens.
Denn dort ist unser Leben in dieser Welt und dieser Zeit wirklich in Frage gestellt.
Es ist die bis ins kleinste unseres Alltags wiederholte Frage, die wir schon vom Anfang der Bibel kennen: Sollte Gott wirklich gesagt haben?
– „Ich glaub’s wohl – tatsächlich? Nicht wahr. Echt?“
„Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“,
so lautet das Wort zum neuen Jahr –
und der Satz eines zweifelnden Vaters, dessen Kind an Epilepsie erkrankt ist,
und der sich von Jesus Hilfe erwartet.
Hilf meinem Unglauben
das kann dann ja auch bedeuten:
Hilf mir, nicht darauf hereinzufallen!
Vielleicht würde ich es glauben wollen, wenn ich könnte,
oder ich könnte es glauben, wenn ich denn wollte,
aber auf keinen Fall will ich glauben, was ich glauben soll!
Hilf meinem Unglauben heißt eben nicht: verwandle ihn in
Faktenwissen, feste Überzeugung, eingeübte Rituale, Zweifellosigkeit, rotte ihn aus.
Hilf meinem Unglauben kann und darf bedeuten:
Stütze meinen Unglauben, meine Zweifel, meine Skepsis!
Hilf mir, nicht darauf hereinzufallen!
Lass mich nicht darauf hereinfallen. Lass mich nicht auf DICH hereinfallen!
Ich glaube, aber schätze meine Skepsis nicht als wertlos ein:
Sie ist mein letzter Schutz. Hilf ihr darum, ihren Platz zu finden.
Doch wenn diese Bitte um Hilfe auf diese Weise umgedreht ist,
wenn unser Zweifel und Unglaube seinen Platz finden soll, reif und gesund, ja heil sein soll,
dann, weil er auf einem grundlegenden Vertrauen beruht.
Der Glaubende darf zweifeln, aber er soll nicht verzweifeln. Auch nicht an seinem Zweifel.
Denn könnte oder müsste man nicht eigentlich erwarten, dass der Vater
– geradezu umgekehrt –
rufen müsste: „Ich unglaube, hilf meinem Glauben!“?
Viele unserer Bitten funktionieren doch genau so:
Ich kann nicht … (was immer ihr da einsetzen wollt…) – hilf, dass ich kann!
Oder gar: Mach, dass ich kann.
Genau da setzen ja all die tollen Sinnstiftungsangebote an,
Die vorgeben, genau die passende Antwort auf jedes „Ich glaub’s wohl“ zu haben.
Die Reaktion auf die doch wohl provozierende Aussage Jesu:
„Alles ist möglichem der glaubt“ könnte genau so lauten: „Ich glaub’s wohl“
Doch der Vater sagt’s auf seine Weise – und damit anders.
Auf diese Weise aber entsteht eine Beziehung,
der sich Jesus nicht entziehen kann und will.